Musik in Portugal - Die Vertreter von Pop und Rock ...
Zur Rock-Karriere sagte die Familie "nein" ...
Man mag meinen, daß
Rock und Pop erst nach der Nelkenrevolution 1974 in Portugal einzogen.
Es gab aber auch schon vorher durchaus eine eigene Rockszene, die aber
immer wieder Probleme mit der Zensur hatte und natürlich meist nur
unter den schwierigsten Bedingungen Konzerte geben oder - wenn überhaupt
- LPs einspielen konnte.
Einige Künstler (José
Afonso, Sérgio
Godinho, José Maria Branco und andere) hatten die Möglichkeit,
in London oder Paris aufzunehmen. Über diese Kontakte kam auch die
eine oder andere viel versprechende Band in den Genuß eines professionellen
Studios. So hörte beispielsweise 1967 der Repräsentant der Rolling
Stones in Paris von den "Sheiks" und bot ihnen einen Vertrag
an. Da die Familie eines der damals noch nicht volljährigen Bandmitglieder
ihr Veto einlegte, kehrten die Sheiks zurück nach Portugal und verschwanden
bald in der Versenkung. Vielleicht hätten sie sonst schon in den
60er Jahren den Namen Portugals in der internationalen Musikszene vertreten
...
Einen interessanten, wenn auch musikalisch nicht immer originellen Einblick
in das Musikschaffen Portugals in den 60er und 70er Jahren findet man
auf der Doppel-CD "biografia do pop/rock".
Heute ist im Ausland am ehesten noch die Jazz-Sängerin Maria
Joao oder der Sänger/ Gitarrist Rui
Veloso bekannt, der überwiegende Teil der einheimischen Rock/Popszene
hat höchstens einmal den Sprung über die spanische Grenze geschafft
oder spielt Konzerte in Frankreich, Kanada, USA für die dort lebenden
portugiesischen Emigranten, wenige sind auch in Brasilien populär
(Abrunhosa).
Der Boom der "Musica Moderna Portuguesa" setzte Anfang der 80er
Jahre mit der ersten Rock-LP "Ar de Rock" von Rui
Veloso ein, andere Bands wie UHF,
Xutos & Pontapés,
GNR
nahmen kurz danach ebenfalls ihre ersten LPs auf, existieren immer noch
und gehören inzwischen zu den Veteranen der Rockszene.
Die zweite Welle war zu Beginn der 90er Jahre, die jungen Musiker konnten
sich langsam bessere Instrumente leisten und man begann sich von den unverkennbaren
Vorbildern aus England (Cure, Bauhaus, Joy Division, Siouxsie & the
Banshees, Echo & the Bunnymen ...) zu lösen und eine eigenständige
Rockmusik zu entwickeln.
Die Gruppen/Musiker
Rui
Veloso
Er ist ein sehr bluesorientierter Gitarrist, singt auch, hatte mehrere
Hits in den letzten 20 Jahren, Gastgitarrist bei Konzerten von B.B.King
in Portugal.
GNR
Sind aktiv seit 20 Jahren, haben immer mal wieder Radiohits, sind nicht
mehr so erfolgreich wie vor einigen Jahren.
Xutos
& Pontapés
Sie sind die "Rolling Stones" Portugals, was ihren Status angeht.
Angefangen als Punkband mit ziemlich chaotischen 20-Minuten-Konzerten,
begann ihre erfolgreichste Zeit Ende der 80er Jahre mit mehreren Goldenen
Schallplatten und Kritikerauszeichnungen. Obwohl sie musikalisch nicht
allzu virtuos sind, ist der Besuch eines Konzertes durchaus empfehlenswert,
nicht zuletzt um den Kontakt Band/Publikum mit zu erleben.
Radio
Macau
Sie waren zu Beginn ihrer Karriere das portugiesische Pendant zu Siouxsie&the
Banshees mit Sängerin Xana und Gitarrist Flak als auffälligste
Bandmitglieder. Ab 1986 bis 1992 diverse Hits, nach langer Pause (Soloprojekte)
in 2000 eine neue CD mit Trip-Hop-Klängen und viel Elektronik. Auf
der Bühne oft besser und interessanter als auf CD.
Sétima
Legião
Sie waren beeinflusst von Joy Division, entdeckten aber schon sehr früh
ihr musikalisches Erbe und setzten Dudelsack und ländliche portugiesische
Rhythmusinstrumente ein. Die letzten CDs kann man unter "World-Music"
mit leichten Techno-Einflüssen (viele Samples, Loops...) einsortieren.
Herois
do Mar
Sie sorgten in den 80ern durch ihr "nationalistisches" Auftreten
für kontroverse Diskussionen. Thematik der Texte war oft die große
Vergangenheit Portugals als Seefahrernation, wenige Jahre nach der Revolution
1974 wurde diese Glorifizierung von linken Kreisen vehement kritisiert.
Musikalisch dem Romantik-Rock á la Duran Duran, Human League zuzuordnen,
waren die "Helden des Meeres" das erste von vielen erfolgreichen
Projekten des Pedro Ayres Magalhães Madredeus.
Delfins
Sie
spielen eher leichte Kost mit fatalem Hang zu theatralischen Balladen.
Hatten mehrere No.1-Hits.
Mão
Morta
Treibende verzerrte Gitarren über hypnotischen Beats sind die Basis
für den dämonischen Sprechgesang von Adolfo Luxúria Canibal
(Name!). Keine leichte Kost, noch weniger, wenn man die Sprache nicht
versteht. Kultstatus bei Kritik und Publikum, natürlich keine Radiohits....
Live ein Erlebnis!
Silence
4
Sie überraschten 1996 mit einer sich sensationell gut verkaufenden
CD, mit gefälliger melodiöser Rockmusik der guten alten Schule
und Liedern, die auch auf der Akustikgitarre gespielt werden können
- aber englische Texte hatten. Die Diskussionen unter Musikerkollegen
und Kritikern wurde aufs heftigste geführt, ob so etwas denn authentische
portugiesische Musik sei ...
The
Gift
veröffentlichten ihre erste CD 1997 im Eigenvertrieb und fanden sich
nach einem Jahr mit unzähligen Konzerten plötzlich in den Hitlisten
wieder. Sind eine der zur Zeit interessantesten jungen Bands Portugals
mit einer Mischung aus traditioneller Rockmusik und dem intelligenten
Einsatz modernster Techniken aus Trip-Hop, Techno und Dub. Sängerin
Sónia
Tavares erinnert an Björk ebenso wie an Shirley Bassie, man findet
Nick Cave, funky Bläser und symphonische Streicherarrangements in
ihrer Musik. Gast bei Konzerten war beispielsweise Fausto, einer der wichtigsten
Musiker Portugals seit den 70er Jahren.
Clã
Die Band beeindruckt mit ihren Live-Auftritten. Sängerin Manuela
Azevedo ist "everybody´s darling" bei Kritikern und
Publikum. Musikalisch eine kraftvolle Mischung aus Rock, Funk und einer
Prise Soul, auf CD leider oft etwas gezügelt. Neueste CD ist die
Aufnahme eines gemeinsamen Konzertes mit Sérgio
Godinho.
Da
Weasel
Die Hip-Hop Band Portugals. Intelligente Texte und Musik "auf der
Höhe der Zeit" (Nu-Metal und Dub/Reggae-Sounds) sind ihre Markenzeichen.
Cool
Hipnoise
Sie bewegen sich im Bereich Funky, Dub, Reggae, Hip-Hop, Jazz, Soul mit
sehr guten Musikern und immer tanzbar. Coverversionen von Xutos
& Pontapés, Michael Jackson, Massive Attack und Nirvana
im völlig neuen Gewand.
Rodrigo
Leão
Er ist Ex-Mitglied von Sétima
Legião und Madredeus.
Spielt seine Solo-Platten meist ganz alleine ein, klassische Streicher
treffen auf "coole" Lounge-Musik, Fado und Ambient. Bis auf
wenige Ausnahmen instrumental.
Pedro
Abrunhosa & Bandemónio
Sie waren 1994 die absolute Sensation. Abrunhosa, Kontrabassist und Jazzmusiker
aus Porto entdeckt Acid-Jazz und versieht ihn mit seinem charakteristischen
Sprechgesang. Die CD "Viagens" mischt die Musikszene Portugals
regelrecht auf und katapultiert in wenigen Wochen zu Verkaufszahlen von
50.000 CDs (in Portugal: Platin). Die CD wird von Kritikern als "genial"
eingestuft, Abrunhosa gewinnt zahlreiche Auszeichnungen, mit einer höchst
geschickt gestalteten Vermarktungsstrategie in sämtlichen Medien
ist er ständig in aller Munde. Auf dieser ersten CD ist als Gast
Maceo Parker (Saxofonist von James Brown) zu hören, die Nachfolge-CD
"Tempo" nimmt Abrunhosa zum Teil im Studio von Prince auf, mit
Musikern der New Power Generation. Weiterer Gast ist der Fado-Sänger
Carlos
de Carmo. Diese CD ist innerhalb eines Monats nach Erscheinen 3-fach
Platin! Inzwischen ist es ruhiger um ihn geworden, die beiden letzten
CDs sind vergleichsweise banal und wurden auch vom Publikum nicht sehr
beachtet.
Ena
Pá 2000
Sie machen Fun-Punk und Schlager/Chansons mit vorzugsweise anzüglichen
Texten ... Nur für Portugiesisch-Kundige interessant (wenn überhaupt...).
Kultband.
Kussundulola
Ist einzige Reggaeband Portugals von landesweiter Bedeutung. 1995/96 gelang
ihnen der Durchbruch mit dem Sommerhit "Dançam no Huambo".
Besteht zum größten Teil aus Angolanern, die in Portugal leben,
ihre Konzerte mit einer lebendigen Mischung aus Afrika und Jamaika sind
wahre Rasta-Partys!
Blind
Zero
Sie sind die erfolgreichsten Vertreter der Hardrock/Grunge-Abteilung.
Begannen 1994 als Pearl-Jam-Kopie, inzwischen haben sie sich von diesen
aber emanzipiert.